
Der Krieg in der Ukraine hat auch unsichtbare Konsequenzen: psychische Belastungen. Ständige Bedrohungen, der Verlust von Sicherheit und die Traumata des von Drohnen- und Raketenangriffen gezeichneten Alltags prägen das Leben der Menschen in der Ukraine. Um hier Unterstützung zu leisten, wurde 2023 die Klinikpartnerschaft NaDiya ins Leben gerufen. “NaDiya” bedeutet Hoffnung – und genau die stärkt das Projekt: Hoffnung auf Stabilität, auf Resilienz, auf Zukunft. Nach dem Aufbau erster psychosozialer Versorgungsstrukturen richtet sich der Fokus der zweiten Projektphase nun auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Ukraine.
„Für verwundete Soldaten existieren bereits einige Angebote, doch für traumatisierte Kinder fehlen sie weitgehend.“ - Prof. em. Dr. phil. Cornelia Kricheldorff, ehemalige Leiterin des Instituts für Angewandte Forschung der Katholischen Hochschule in Freiburg
September 2025. Fünfzehn Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Psychotherapeut*innen sind aus der Ukraine nach Freiburg gereist. Über 24 Stunden sind sie dafür unterwegs. Oksana M. erzählt, dass sie alle zehn Minuten auf ihr Handy schaut, um zu sehen, wie es ihren Kindern geht. Andere Teilnehmende arbeiten parallel zum Seminar in den Pausen an ihrem Laptop, denn ihre Verantwortung hört nicht auf.
Doch für fünf Tage ist der Seminarraum an der Katholischen Hochschule Freiburg nicht nur ein Ort zum Lernen, sondern auch ein Ort der Ruhe. Hier nehmen sie an einer Weiterbildung zur trauma-fokussierten kognitiven Verhaltenstherapie teil, einer bewährten Methode zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Doch die Teilnehmenden lernen nicht nur neue Ansätze für ihre Arbeit kennen, sondern beschäftigen sich auch mit der eigenen psychischen Gesundheit.
Eine Teilnehmerin erzählt offen, dass sie selbst beim Ausfüllen eines Belastungsfragebogens erhöhte Werte festgestellt hat. Deswegen steht neben dem Fachwissen auch Selbstfürsorge im Zentrum der Weiterbildung. Nur wenn Fachkräfte ihre eigene Belastung reflektieren, können sie langfristig für andere da sein.
„Früher haben wir das ‚Kurs‘ genannt – inzwischen sprechen wir eher von einem Retreat“, sagt Dr. Halyna Levkiv, Projektkoordinatorin an der Katholischen Hochschule Freiburg. „Sie kommen hierher und haben nur diese sechs Tage ohne Alarm, ohne Bomben. Sie kommen zwar nicht ganz runter, aber wenn sie nach Hause fahren, habe ich mit vielen Freundschaften geschlossen. Sie schreiben: ‘Dank dieses Projekts haben wir vielleicht überlebt.’“

Deborah Kaiser, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin am Universitätsklinikum Freiburg, und Katja Meyer, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin am Universitätsklinikum Freiburg, während der Weiterbildung zu trauma-fokussierter kognitiver Verhaltenstherapie.
Die Rückmeldungen aus der ersten Projektphase verdeutlichen, wie praxisnah das Gelernte ist. Eine Psychotherapeutin berichtet: „Wenn wir mit den Kindern in den Bunker müssen, nehmen wir die Materialien für die Kunsttherapie mit.”
Die Klinikpartnerschaft zwischen der Katholischen Hochschule Freiburg, dem Universitätsklinikum Freiburg, der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw und vielen weiteren ukrainischen Institutionen stärkt die psychische Gesundheit in der Ukraine nachhaltig. Prof. Cornelia Kricheldorff, langjährig in der Ukraine engagiert, und Prof. Claus Muke, Projektleiter an der Katholischen Hochschule Freiburg, betonen die Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Inhalte, Konzepte und Formate werden mit den ukrainischen Partner*innen gemeinsam entwickelt.
Auch in Deutschland sind die Erfahrungen, die in dieser Klinikpartnerschaft gewonnen werden, von großer Bedeutung. Die Inhalte von NaDiya fließen unter anderem in die universitäre Lehre und in interdisziplinäre Formate ein. „Kurz nach Beginn der Vollinvasion hat Freiburg 100 Kinder aus der Ostukraine aufgenommen”, berichtet Prof. Christian Fleischhaker, kommissarischer ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter am Universitätsklinikum Freiburg. „Der Austausch durch das Projekt ist für uns hochgradig informativ.”
Die Methoden zur Stressbewältigung, die im Projekt vermittelt werden, sind universell einsetzbar und werden bereits in deutschen Einrichtungen, die mit psychisch belasteten Kindern, Jugendlichen und Familien arbeiten, vorgestellt. Die Rückmeldung aus Freiburg ist eindeutig: „Das brauchen wir auch hier.“
Thema: Psychische Gesundheit
Laufzeit: 1. Laufzeit: April 2023 – September 2024, 2. Laufzeit: seit November 2024
Volumen: insg. 1,2 Mio. Euro
Partner*innen in Ukraine: Ukrainische Katholische Universität Lwiw und viele weitere ukrainische Institutionen in der Westukraine
Partnerorganisation in Deutschland: Katholische Hochschule Freiburg, Universitätsklinikum Freiburg