Die Bedeutung von Klinikpartnerschaften für den Wiederaufbau und die langfristige Stärkung des Gesundheitswesens in der Ukraine stand im Zentrum der ersten Konferenz zur deutsch-ukrainischen Gesundheitspartnerschaft, die vom 3. bis zum 5. Juli 2023 in Berlin stattfand.
Höhepunkt der Veranstaltung, die das Förderprogramm Klinikpartnerschaften und die Charité gemeinsam für mehr als 150 Ärztinnen, Ärzte und Gesundheitsfachkräfte aus Deutschland und der Ukraine ausrichteten, war die Podiumsdiskussion zum Wiederaufbau des ukrainischen Gesundheitssystems am 4. Juli im Langenbeck-Virchow-Haus. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev und der Vorstandsvorsitzende der Charité, Prof. Dr. Heyo Kroemer, sprachen gemeinsam über kurz- und langfristige Bedarfe des kriegszerstörten Landes und die Perspektiven der Unterstützung und Zusammenarbeit.
Svenja Schulze betonte in der Runde die Wichtigkeit des Wissensaustauschs zwischen ukrainischen und deutschen Partnern, um den Wiederaufbau zu realisieren. „Und das ist das“, sagte die Bundesministerin, „was in den kommunalen Partnerschaften und in den Klinikpartnerschaften geschieht.“ Frau Schulze bekräftigte zudem den Anspruch, das Gesundheitssystem der Ukraine in Übereinstimmung mit den Prinzipien von Lugano besser wiederaufzubauen, als es vor dem Krieg gewesen sei. Es müsse ein dezentrales gutes Netz der Gesundheitsversorgung entstehen. Das sei das, was die Ukraine selbst beschrieben habe. Dafür seien zivilgesellschaftliche Akteure wie Medizinerinnen und Mediziner äußerst wichtig, aber es erfordere auch das Wissen der Welt, also internationaler Partnerschaften, die stärker in die Zusammenarbeit einbezogen werden müssten. Das sei keine leichte Aufgabe, aber mit der bereits bestehenden sehr guten Zusammenarbeit und dem starken Netzwerk der Klinikpartnerschaften sehe sie eine gute Basis für die Zukunft: „Wir haben jetzt ein gutes kommunales Netzwerk, wir haben ein Netzwerk der Kliniken und wir haben eine Plattform in Deutschland, die den Wiederaufbau von der deutschen Seite her koordiniert. Wir sind gut vorbereitet.“
Auch der stellvertretende Gesundheitsminister der Ukraine, Prof. Dr. Sergiy Dubrov, hob während der Diskussion die Bedeutung der Klinikpartnerschaften hervor. „Diese Partnerschaft ist sehr wichtig für die Ukraine“, erklärte der Minister, der bereits in seiner Begrüßungsrede zur Eröffnung der Konferenz am Morgen über die dramatische Situation in den Krankenhäusern gesprochen hatte. Nahezu 1.000 Gesundheitseinrichtungen seien komplett zerstört, etliche Fachkräfte hätten das Land verlassen oder fliehen müssen. Eindringlich hatte Dubrov, der selbst Traumachirurg ist, die Situation in den Behandlungszimmern und Operationssälen des Landes geschildert, wo teilweise ohne Strom und nur mit dem Licht von Mobiltelefonen oder Stirnlampen lebensnotwendige Operationen vorgenommen werden müssen.
„Wir bitten weiterhin um Ihre Unterstützung“, richtete Dubrov sich an Svenja Schulze und Karl Lauterbach. In ihrem Schlusswort versicherte die Ministerin daraufhin erneut den Beistand Deutschlands: „Die Ukrainerinnen und Ukrainer entscheiden, was das Beste für die Ukraine ist. Und wir werden unterstützen, solange es notwendig ist“, sagte Schulze. „Das haben wir zugesagt und das werden wir auch tun.“
Mental-Health-Notstand in der Ukraine
Die mentalen Belastungen für die Bevölkerung durch den Krieg spielten auf der Konferenz eine wichtige Rolle. Während der Podiumsdiskussion zu mentaler Gesundheit und Trauma dankte Nataliya Maruta von der Wissenschaftsakademie in Charkiw dem Klinikpartnerschaften-Projekt Solomiya für seine Arbeit. In dem Kooperationsprojekt arbeiten mehr als 20 ukrainische und fünf Institutionen des deutschen Gesundheitswesens unter Federführung der Charité zu psychischer Gesundheit, Traumatologie und Notfallmedizin. Maruta belegte die Relevanz dieser Arbeit mit Zahlen: „Wir haben derzeit 70 Prozent mehr psychische Erkrankungen und einen großen Bedarf an Maßnahmen zum Schutz der mentalen Gesundheit.“
Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach betonte die Notwendigkeit, die physische Gesundheit des medizinischen Personals im Blick zu behalten. „Wir dürfen das Gesundheitspersonal nicht verlieren“, sagte der Minister in Anbetracht der traumatisierenden Bedingungen, unter denen Ärzte, Ärztinnen und das gesamte medizinische Personal derzeit arbeiten müssten.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) reagierte frühzeitig auf die Zerstörung des Landes, um die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung durch 17 Klinikpartnerschaften zwischen der Ukraine und Deutschland zu fördern. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate entstand ein dichtes Kooperationsnetzwerk mit mehr als 50 ukrainischen und deutschen Gesundheitseinrichtungen, die zur langfristigen Stärkung des ukrainischen Gesundheitswesens beitragen. Ein großer Kooperationsbereich liegt in der Kompetenzentwicklung (Capacity Development), bei der medizinische Fachkräfte aus der Ukraine entweder durch Hospitationen in Deutschland oder bei Online-Schulungen etwa in den Bereichen Infektiologie, mentale Gesundheit und Traumatologie/Unfallchirurgie qualifiziert werden. Insgesamt wurden so bereits weit über 1.000 Fachkräfte aus der Ukraine mit Weiterbildungsangeboten erreicht. Außerdem wurden durch die Klinikpartnerschaften im Rahmen der Nothilfe bereits über 30.000 Menschen mit Medikamenten und medizinischen Hilfsgütern versorgt. Im Bereich Telemedizin bietet ein Chatbot erste Hilfe bei der Online-Behandlung von traumatisierten Patientinnen und Patienten und auch Telemedizinroboter kommen zum Einsatz, um die Behandlung vor Ort mithilfe online zugeschalteter Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen.
PDF: 1st Healthcare Partnership Conference UKR/GER
Conference PresentationsPDF: Healthcare system in Ukraine
Conference PresentationsPDF: Transformation toward Resilient Systems
Conference Presentations